Eine Bewegungsform erkennen-vorstellen-kreieren

Spielerisches Ausprobieren, regelmäßige Wiederholung, eiserne Disziplin und Ausdauer oder auch vorsichtiges Herantasten sind verbreitete Möglichkeiten um eine Bewegung zu erlernen.

Der Begriff der ,,Bewegungsform“ jedoch ist vor allem in der Mechanik verbreitet. Dort wird er genutzt, um ,, (…) neben den Kräften in einem System auch die Bewegungen von Körpern zu beschreiben, da die Bewegungen meist auch mit Kräften zu tun haben.“1

Sowohl im Yoga als auch in anderen Bewegungsarten haben wir es einerseits mit Bewegungen von Körpern zu tun, andererseits aber auch mit verborgenen Kräftewirkungen, die es dem Körper überhaupt erst ermöglichen eine Bewegung auszuführen.

Diese Zusammenhänge genau zu erforschen und daraus ein Verständnis zu entwickeln, wäre nun eine weitere, im Folgenden näher ausgeführte Möglichkeit, sich mit Bewegungsformen zu beschäftigen.

Eine Bewegungsform erkennen

Bevor eine Bewegung in die persönliche Umsetzung gelangt, kann sie zunächst einmal studiert werden. Das bedeutet, man betrachte sehr genau die Person die die Bewegung ausführt oder man nehme sich ein Photo auf dem die Bewegung gut sichtbar ist. Das Bild wird jedoch nicht nur staunend angeschaut, sondern man kann die Betrachtung durch einem konkreten Inhalt erweitern, in dem die Übung unter gewissen Kriterien angeschaut wird.

Bei dieser Art der Betrachtung zeigt sich die Besonderheit darin, dass durch diese erste fragende Betrachtung ein sogenannter ,,Objektbezug“ zur Übung entsteht. Man selbst als Subjekt, stellt sich der Übung, dem Objekt, forschend gegenüber und hält diese Konzentration für einige Minuten aufrecht.

Folgende Kriterien in Form von Fragen können die Konzentration beispielsweise begleiten:

  • Wo ist das Zentrum der Bewegung?
  • Wo fängt die Bewegung an und wo geht sie hin?
  • Wo ist die Spannung, wo die Entspannung?
  • Wie ist die Qualität der Bewegung?
  • Ist die Bewegung kräftig oder zart, fließend oder strebend?
  • Wie ist der Ausdruck der Stellung?
  • Wirkt die Übung leicht oder angestrengt, kontemplativ oder wach?
  • Welche Formen zeigen sich? Wie wirken diese Formen? Sind sie klar strukturiert oder weich im Ausdruck?

Dieser erste Schritt der Betrachtung fördert durch die konkreten Bezüge eine Aktivität im Bewusstsein da die Übung nicht aus der gewohnten Sympathie oder gar Antipathie bewertet wird, sondern idealerweise möglichst frei von bisherigen Erfahrungen und Assoziationen ganz neu in das Licht der Betrachtung rückt.

Durch die freilassende Beobachtung tritt das Gemüt mit seinen vorschnellen Bewertungen in den Hintergrund und es entsteht eine bewusst geschaffene, angenehme Ruhe. Die Ruhe ist hier ein Ergebnis einer im Bewusstsein geleisteten Aktivität welche sehr ungewöhnlich ist: Man behält das Objekt, die Bewegung längere Zeit in der Aufmerksamkeit und überlädt sie nicht mit subjektiven Bewertungen sondern studiert sie nach den vorgeschlagenen Kriterien.

Eine Bewegungsform vorstellen

Nachdem das Bild der Übung ausreichend erforscht wurde und die Zusammenhänge der Bewegungen greifbarer werden, wird die Übung in einem nächsten Schritt in der Vorstellung aufgebaut. Hierbei wird das betrachtete Objekt jedoch nicht einfach nur erinnert, sondern es soll ein lebendiges Bild im Bewusstsein regelrecht geschaffen werden bis es klar und konkret vor einem steht. Dies erfordert und schult ein lebendiges und regsames Vorstellungsleben. Wichtig ist dabei, das Bild so originalgetreu wie möglich zu denken um den Objektbezug zu wahren.

Durch die Vorstellungstätigkeit, welche auch als schöpferischer Prozess betrachtet werden kann weil das Bild gewissermaßen neu erschaffen wird, entstehen in der Regel auch gewisse Empfindungen zu der Übung. Damit sind nicht schwelgerische Gefühle gemeint, sondern es entsteht ein Gefühl zu der Bewegungsform selbst, zu den Zusammenhängen, zum Ausdruck der Stellung. Damit verbunden ist auch eine zunehmende innere Regsamkeit zu vernehmen die dazu motiviert, die Bewegungsform nun auch mit dem eigenen Körper zu erleben.

Eine Bewegungsform kreieren

Nun erfolgt die praktische Umsetzung der Bewegungsform. Dabei ist es sinnvoll, sich in der Ausführung zunächst auf einen zuvor vorgenommenen Aspekt zu konzentrieren und diesen mit dem Körper zu einem sichtbaren Ausdruck zu bringen. Das Ziel ist hierbei nicht, die Position direkt so perfekt wie möglich zu kopieren, sondern es kann mehr in der sorgfältigen Umsetzung der zuvor studierten Bewegungsform gesehen werden. Die Bewegung kann hier richtiggehend kreiert, die einzelnen Elemente und Formen schrittweise herausgearbeitet werden wie bei einem Kunstwerk. Um nicht in alte Bewegungsmuster zu verfallen ist es wichtig, sich im Bewusstsein stets an dem zuvor in der Vorstellung geschaffenen Bild zu orientieren. Dies schult die Konzentrations- und Vorstellungstätigkeit im Bewusstsein und gibt gleichzeitig eine Orientierung in der Ausführung. Je klarer das Bild der Übung im Bewusstsein, umso leichter gelingt die praktische Umsetzung.

Dieser von Heinz Grill entwickelte Bewegungsansatz, welcher in der Übungsweise des ,,Neuen Yogawillen“ seine Umsetzung findet, ist flexibel auf alle Arten von Bewegungen anwendbar. Entscheidend ist dabei, dass eine Position, eine Stellung, eine Bewegung nicht aus der Gewohnheit heraus imitiert wird, sondern, dass das Bewusstsein in seiner schaffenden Tätigkeit durch die Vorstellungsbildung zur Übung geschult wird und damit verbunden ein Fortschritt, eine Weiterentwicklung der bisherigen Fähigkeiten möglich wird.

Sich mit einer Bewegungsform zu beschäftigen, diese zu erkennen, sich diese vorzustellen und letztlich auch neu zu kreieren fördert die schöpferische, kreative Tätigkeit des Menschen und ermöglicht die Entwicklung neuer, bisher unbekannter Fähigkeiten und eröffnet gleichermaßen neue individuelle Möglichkeiten.

Hier werden die Bewegungsformen des Sonnengrußes surya namaskara sehr anschaulich dargestellt:

https://heinz-grill.de/surya-namaskara

1 lernort-mint.de